Jörgs Arbeitsnotizen


iPad, Epub und Open Access

Auch wenn ich wegen des alleinigen Vertriebs über App Store/iBook Store ein wenig sauer bin, nehme ich an, daß das iPad — ähnlich wie schon Amazons Kindle — den eBooks einen gewaltigen Schwung vorwärts geben wird. Denn das iPad ist eben auch ein eBook-Reader, der eBooks im offenen Epub-Format unterstützt und meines Wissens das erste Gerät ist, das innerhalb eines eBooks nicht nur farbige Abbildungen, sondern auch (momentan noch eingeschränkt, aber die Einschränkungen muß ich noch genauer evaluieren) die Darstellung multimedialer Inhalte erlaubt.

Da ich mich sowieso beruflich gerade mit der Frage befasse, wie ein Open Access Server für wissenschaftliche Publikationen aussehen könnte, habe ich mir Gedanken über einen Workflow zur Erstellung von eBooks im Epub-Format gemacht. Als Vorbild diente mir mein ehemaliges Über-Tool Frontier, das nicht nur das Herausrendern von statischen HTML-Seiten, sondern auch von XML-Seiten erlaubt. Außerdem besitzt Frontier, sogar auch für statische Seiten, eine Art Wiki-Mechanismus, der besonders einfach interne Verlinkungen ermöglicht. Aber auch andere Tools — mein derzeitiger Favorit ist Django — sind sicherlich für diese Aufgabe geeignet, auch wenn ich momentan weder weiß, wie man Django einen Wiki-Mechanismus aufpropft, noch wie man das Teil zum Herausrendern statischer Seiten überredet.

Im Prinzip wäre folgender Workflow denkbar: Auf einem Server läuft eine dynamische Version von Frontier/Manila (sollte Dave Winer sein Versprechen einlösen und Manila unter die GPL stellen) oder eben Django, die als Redaktionsserver fungiert. Hier wird das Buch einmal eingegeben, inklusive aller Metadaten. Der Server rendert eine statische HTML-Version auf einem Produktionsserver heraus, die für die Öffentlichkeit bestimmt ist. Aus dem gleichen Datenbestand produziert er auch ein eBook im Epub-Format, das auch auf dem statischen Server zum Download angeboten wird. Parallel kann man die Epub-Version natürlich auch noch über andere Dienstleister (zum Beispiel Amazon) vertreiben.

(Wer jetzt wieder die Nachtigall den Cloud trappsen hört, der hat recht: Natürlich kann der Redaktionsserver eine EC2-Instanz sein und der Produktionsserver in Amazons CloudFront oder S3 laufen. Und im Falle von Django als Redaktionsserver könnte dieser auch in Googles App Engine implementiert werden (und dann zum Beispiel nach Amazon herausrendern). Nicht gerade für das Institut, aber für Selbstverleger und -vermarkter, aber auch für Kleinverlage sind diese Möglichkeiten sicher eine Alternative zum eigenen Server.)

Theoretisch müßte es auch möglich sein, außerdem noch — ebenfalls aus dem gleichen Datenbestand — eine PDF-Fassung zu generieren, die man einmal auch zum Download und Ausdruck anbieten, zum anderen aber auch über einen beliebigen Print-on-Demand-Dienstleister verticken kann (für Bibliotheken und andere, die unbeding etwas fürs Regal benötigen). Für Python/Django gibt es eine Bibliothek, ReportLab, die PDFs herausschreibt, die aber von mir noch evaluiert werden muß. Ob und wie man das in Frontier erledigt, davon habe ich momentan noch keinen Schimmer. Sollte das aber gelingen, wäre auch das alte Versprechen von write once – publish everywhere eingelöst.

Längerfristig stellt sich natürlich die Frage nach dem Sinn des Epub-Formats. Denn in einer Zeit, in der die Geräte (zum Beispiel via UMTS) ständig online sein werden, kann auch jeder die HTML-Version direkt im Browser lesen, ohne sie erst herunterladen zu müssen. Damit würde man auch elegant den iBook-Store übergehen. Aber das ist noch Zukunftsmusik.

Sicher bin ich mir aber, daß spätestens das iPad die Zeit des multimedialen »Lesens« eingeläutet hat. Nicht mehr nur Bilder und Illustrationen, sondern auch Animationen und Videos werden in die Publikationen der Zukunft nahtlos integriert werden.


Erstveröffentlichung: Der Schockwellenreiter vom 29. Januar 2010

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