Jörgs Arbeitsnotizen


Flickr, Web 2.0 und der Besitz an Produktionsmitteln

Der neueste Zensur-Hickhack um flickr hat mich in meiner Auffassung bestätigt, daß das Web 2.0 solange noch von Partizipation 2.0 entfernt ist, wie dem Nutzer die Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel fehlen. Aber ich denke, daß es durchaus möglich ist, abseits der Großkonzerne und Medienhäuser unabhängige und selbstbestimmte Communities zu gründen und zu betreiben. Die Werkzeuge dazu sind aus der Blogosphäre entwachsen und können durchaus anders genutzt werden. Zentrale Bestandteile meiner Überlegung sind quelloffene (Mini-) CMS wie WordPress oder Drupal und die »Werkzeuge« RSS, Ping und Community-Server. Ich möchte das einmal am Beispiel einer unabhängigen Photo-Community aufzeigen:

Stellen wir uns jetzt also einmal vor, der Nutzer geht erst einmal einen Schritt zurück und veröffentlicht seine Photos statt auf flickr oder einer anderen »Web 2.0-Community« wieder im Alleingang auf seinem eigenen, gemieteten Webspace. Er stellt wieder Photoblog-mäßig einen »Stream« ins Netz, bündelt die Bilder aber auch in »Sets« (ich bleibe jetzt erst einmal bei der flickr-Terminologie) und er bietet direkt den HTML-Code an, mit dem andere Nutzer die Bilder auf ihren Webseiten gemäß der gewählten CC-Lizenz des Rechte-Inhabers veröffentlichen können. Im Gegensatz zum »klassischen« Photoblog stehen die Photos daher auch von Vorneherein in verschiedenen Größen zur Verfügung. Die Bilder können, wie bei flickr auch, kommentiert und — falls die Software das hergibt — »bewertet« und natürlich auch mit Tags versehen werden. Zusätzlich werden auch noch eine Reihe von RSS-Feeds (Was ist neu? Was ist neu in Album xxx?) zur Verfügung gestellt, die als Basis für Webservices anderer Nutzer und der Community-Server dienen.

Community-Server sind in ihrer einfachsten Art erst einmal ständig aktualisierte Inhaltsverzeichnisse selbstständiger (Photo-) Seiten-Betreiber, die sich zu einer Community zusammengeschlossen haben und diesen Server gemeinsam betreiben (das so etwas geht, zeigt seit Jahren die Server-WG). Er wird mit dem üblichen »Ping« (via XML-RPC) darüber informiert, was es Neues gibt und besitzt die Möglichkeit, über die RSS-Feeds Inhaltsverzeichnisse zu generieren und zu publizieren. Außerdem könnte er »Gruppen« hosten, das sind gemeinsame Photoalben, in denen mehrere der unabhängigen »Photoblogger« ihre Photos zu einem bestimmten Thema sammeln. Da diese ja nur via Hotlink eingebunden werden müssen, ist der Speicherbedarf für so einen Community-Server relativ gering.

Neben einem eigenen »Was ist neu?«-Feed sollte der Community-Server selbstverständlich auch die aktuellen Feeds »Was ist neu in Gruppe xxx?« zur Verfügung stellen.

Community-Server können und sollen sich natürlich mit weiteren, unabhängigen Community-Servern vernetzen und bilden so ein Rhizom selbstständiger (Photo-) Produzenten, die vielfältig untereinander und über Community-Server verbunden sind. So entsteht ein stabile Infrastruktur, die unabhängig von den großen Konzernen ist und darüberhinaus mindestens das Gleiche leistet (leisten kann), wie flickr und Konsorten.

Ob der einzelne Teilnehmer an diesen Communities nun seine Seiten per Desktop-CMS oder Template-Engine, dynamisch auf gemietetem Webspace oder bei einem (Weblog-) Hoster publiziert, ist ihm völlig selbst überlassen, so wie auch die Wahl seines Layouts oder ob er Werbung auf seinen Photoseiten packt. Wichtig ist nur, daß er die geforderte Anzahl von RSS-Feeds zur Verfügung stellt und einen oder mehrere Community-Server seines Vertrauens anpingt.

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Ich werde in den nächsten Tagen mal einen Prototypen solch einer Photosite basteln. Und da ich den Komfort schätzen gelernt habe, mit dem ich direkt aus iPhoto heraus Bilder zu einem Hoster wie flickr oder Googles Picasa hochladen konnte, nutze ich vielleicht iPhoto als Desktop-Client. Aber das weiß ich noch nicht, mir ist noch unklar, wie groß der Aufwand ist, ein eigenes Export-Plug-In für iPhoto zu schreiben.


Erstveröffentlichung: Der Schockwellenreiter vom 15. Juni 2007

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